Verkündigung zu Jesaja 52,13-53,12
(nach der Übersetzung von Werner Grimm, Stuttgart 1990):
(gern im Wechsel der Stimmen)
Im Alten Testament, beim Propheten Jesaja im 53. Kapitel, wird von einem Menschen erzählt, der auch schwer gelitten hat. Knecht Gottes wird er genannt. Die ersten Christen haben in ihm den leidenden Jesus gesehen. Die Worte von Jesaja erinnern an eine Trauerliturgie, einen Nachruf in Gedichtform, wie man ihn bei einer Bestattung vorträgt:
Hören wir von der Geburt des Gottesknechtes:
Er schoss auf (vor Gott) wie ein Wurzelspross aus der Erde.
Und doch war er zuerst nur ein unscheinbarer Säugling.
Er hatte keine gute Figur und Schönheit, die wir gerne gesehen hätten.
Der Prophet redet von einem Kind.
Wir Christen können darin Jesus entdecken.
Schon in der Krippe, im Stall hat die dunkle Geschichte begonnen.
Weder Glanz noch Pomp. Kein „holder Knabe im lockigen Haar“.
Er ist der Sohn einfacher Leute.
Die Mutter und das Kind überleben bei der Geburt und die Familie auf der folgenden Flucht.
Gerade mal so.
Hören wir weiter vom Leiden des Gottesknechtes:
Verachtet und verlassen von Menschen war er.
Ein Mann der Schmerzen, vertraut mit Krankheit.
Wie einer, vor dem man sein Gesicht verbirgt und sich wegdreht.
Ja es ist wahr: Er war voller Schmerzen und Krankheit. Und schleppte sie fort.
Wir (Menschen) dachten: Gott hat ihn geplagt und geschlagen.
Aber er wurde wegen unseren Verbrechen durchbohrt.
Zerschlagen durch unsere Schuldenlast.
Die Strafe liegt auf ihm. Deshalb haben wir Frieden.
Durch seine Wunden sind wir geheilt.
Der Knecht Gottes hat schwer gelitten. Eine tödliche Krankheit musste er ertragen. Sein Körper voller Geschwüre. Die Menschen um ihn her sahen das. Sie dachten: Da leidet einer zurecht. Er hat etwas Böses getan. Er hat das sicher verdient und kriegt seine gerechte Strafe. Gott ist zornig auf ihn. Er selbst will es so.
Das dachten manche auch, als Jesus am Kreuz hing. Ein Volksverhetzer. Einer, der gottlose Reden geschwungen hat und Menschen damit verführte. Deshalb haben sie Jesus den Prozess gemacht, ihn gefoltert, voll menschen-verachtender Gewalt. Aber sie lagen ganz falsch. Die Verurteilung war ein Justizirrtum und die Hinrichtung eine Gräueltat.
Auch heute sagen Menschen: Wer krank wird oder leidet, muss etwas Böses getan haben. Oder noch krasser: Corona ist eine Strafe Gottes. Sie haben genauso unrecht.
Kann Gott aus so einer Leidensgeschichte etwas Gutes machen? Aus Krankheit, Folter und Schmerzen eines gerechten Menschen Segen entstehen lassen?
Jesaja sagt: Ja. Gott kann das. Einfach war es nicht. Es war ein hoher Preis. Es kostete das Leben eines Menschen. Noch dazu eines unschuldigen. Aber Gott wollte so das Problem menschlicher Schuld und Schuldzuweisungen an seiner Wurzel anpacken und auslöschen. Der Gottesknecht litt im Auftrag Gottes, um eine zerrüttete Gemeinschaft zu versöhnen. Er sollte Frieden schaffen. Menschen in ihrer Seele heil machen, ja ihnen Heil bringen.
In der Pandemie gewinnt das Lied vom Gottesknecht einen tiefen Sinn:
Durch seine Wunden sind wir geheilt. Der Gottesknecht weiß, was Krankheit ist. Er hat sie am eigenen Leib erlitten. Aber eben doch mehr: Er hat Krankheit und Schmerzen fortgetragen. Was soll das heißen? Die Gemeinschaft der Glaubenden, die auf den Gottesknecht schaut, hat gespürt: Gott stellt sich an die Seite des Leidenden. Gott schaut auf ihn. Er trägt ihn und gibt auch uns dadurch Kraft. Gott nimmt ihm die Todesangst. Hilft zu überwinden. Und weckt so in uns neue Hoffnung.
Für uns heute gesprochen: Gott ist da, wo Menschen leiden. In den Kliniken und Altenheimen. Bei den Einsamen zuhause. Gott allein kann es ihnen schenken, dass sie Frieden finden und ruhig werden. Dem Leiden den Schrecken nehmen. Ruhe schaffen in den Herzen und Frieden in der Seele.
Den „behinderten Gott“, nannte eine amerikanische Theologin Jesus am Kreuz. Sie selbst saß ihr Leben lang im Rollstuhl. Für sie war wichtig: Jesus, das war nicht nur der große Heiler, der Menschen gesund machte. Weil er selbst voller Schmerzen war, gedemütigt und gefoltert, deshalb war ist besonders glaubwürdig. Der Herr der Welt stirbt – scheinbar ohnmächtig. Er schaut noch nach der geliebten Mutter und dem Freund. In seiner Schwachheit ist er so mächtig, dass die Liebe ganz viel Raum bekommt. Da werden Schuld und Verfehlung ganz klein und göttliche Liebe ganz groß.
Karfreitag zeigt: Gott steht bei einem auserwählten leidenden Menschen. Das verbindet das Lied vom Gottesknecht mit der Passionsgeschichte. Genau darin steht er auch bei uns, „er steht auf zur Seite der Armen, der Kleinen, vertraut mit der Ohnmacht, der liebende Gott.“